Sonntag, 13. April 2014

USA und EU unterstützen Strafexpedition (UPD.)


Dieses Wochenende war wiederum sehr ereignisreich. Mittlerweile haben sich die Gebiete Donezk und Lugansk fast vollständig der Kontrolle der Junta in Kiew entzogen. Am Samstag und Sonntag kam es in vielen Städten und Gemeinden erneut zu Demonstrationen der Bürger, die oft in der Besetzung von Verwaltungs- und manchmal auch Polizeigebäuden gipfelten (siehe Karte, wobei auf dieser noch nicht alle Orte markiert sind). An den meisten Orten wurden Barrikaden errichtet.

Herausragendes Beispiel ist die Kleinstadt Slawjansk, die sich unter Führung der Bürgermeisterin komplett dem Aufstand angeschlossen hat. Sie ist bereits seit Samstagfrüh in der Hand der Aufständischen, die hier (ausnahmsweise) auch bewaffnet sind, nachdem die örtliche Polizei zu ihnen übergegangen war. (Wie in Lugansk vor einer Woche, so sind den Aufständischen mittlerweile an mehreren Orten Waffen, Uniformen etc. aus Behördenbeständen in die Hände gefallen.)
Am Sonntagmorgen gab es in Slawjansk einen Zwischenfall inklusive Schußwechsel zwischen zwei bis drei Parteien, wobei es noch Unbekannte gibt. Die Putschisten hatten eine Kolonne von Schützenpanzerwagen in die Stadt geschickt, diese machten nach dem Gefecht jedoch wieder kehrt. Es soll ein bis zwei Tote und etwa ein Dutzend Verletzte gegeben haben. Tagsüber wurden neue Geplänkel gemeldet. Am Sonntagabend wurden in Slawjansk angeblich zwei Söldner einer privaten Militärfirma gefangengenommen.

Aktuelle Videos aus Slawjansk sind hier, hier, hier und hier zu finden. Bilder und Videos aus weiteren Orten im Osten des Landes: Mariupol, Enakijewo, Lugansk, Kramatorsk und Drushkowa,

Die Ostukraine scheint für die Putschisten verloren. Die in den Regionen vorhandenen Sicherheitskräfte laufen scharenweise zu den Aufständischen über (hier ein Video aus Donetsk). In Artjomowsk konnte sogar eine Kompanie der neugeschaffenen Nationalgarde ohne Kampf gestellt und entwaffnet werden. Polizisten, die sich für neutral erklärt haben, werden von Junta-treuen Kräften wegen Befehlsverweigerung verhaftet. Den ganzen Tag über wurde zwar wieder die Verlegung von schwerer Technik wie Kampfpanzern gemeldet, doch ist äußerst zweifelhaft, ob die ukrainischen Soldaten bereit sind, auf ihre Mitbürger zu schießen.
Am Abend hat der ukrainische Präsident Janukowitsch in Rostow am Don erneut eine Pressekonferenz abgehalten, auf der er die Polizisten und Soldaten seines Landes aufgefordert hat, keine Befehle der Putschisten mehr auszuführen. Unter den Vertretern der Junta herrscht schon seit Tagen offene Panik, die mittlerweile die Grenze zur Paranoia überschritten hat. Jazenjuk z.B. soll jede Nacht an einem anderen Ort verbringen, weil er Angst sowohl vor den Russen als auch dem Rechten Sektor hat.

Im Süden sieht es schlechter aus. Dort gab es heute in Saporoshje einen Zwischenfall, bei dem eine Demonstration der Referendumsbefürworter von 500 herangekarrten Kämpfern des Rechten Sektors eingekesselt wurde. Die Demonstranten wurden dann vom SBU verhaftet. (Auch in Charkow ist es am Sonntag nach zwei Kundgebungen zu einer Auseinandersetzung mit Verletzten gekommen; anschließend wurde dort ebenfalls das Rathaus besetzt.)

Einer der neuen Brennpunkte dürfte Odessa zu sein. In der Stadt war es vor wenigen Tagen zu einer Großdemonstration anläßlich des siebzigsten Jahrestages der Befreiung der Stadt von den deutschen Besatzern gekommen. Dieser wurde von Maidan-Kämpfern gestört, konnte aber nicht verhindert werden. Deshalb sind sie am Sonntag verstärkt aufmarschiert, um die Einheimischen zu terrorisieren. Doch auch letztere haben wieder Flagge gezeigt.
Hinzu kam der Besuch des schwedischen Außenministers Carl Bildt, der demonstrativ den vermummten Maidan-Kämpfern den Rücken stärkte und Rußland kritisierte. Die Einwohner Odessas, die gegen den Maidan sind, wurden von ihm als "Separatisten" tituliert, gegen die gekämpft werden müsse. Von Bildt kam hingegen kein Wort zu den massiven Menschenrechtsverletzungen, derer sich die Putschisten und ihre Banden gerade auch in Odessa schuldig gemacht haben.

Am Samstag kam ein weiterer ausländischer Gast nach Kiew. CIA-Direktor Brennan war angereist, um den demoraliserten Putschisten Mut zu machen und die Einzelheiten der Strafexpedition gegen die Bevölkerung der Südostukraine zu planen. Schon vor Tagen wurde vor dem SBU-Hauptquartier in Kiew die US-Flagge gehißt und im Gebäude sollen sich mittlerweile Dutzende ausländische Berater aufhalten. Offenbar gab Brennans Visite den Ausschlag für den am Morgen begonnenen Angriff auf Slawjansk (s.o.).

Am Sonntagnachmittag hat "Präsident" Turtschinow dann den Beginn einer großmaßstäblichen "Anti-Terror-Operation" gegen die Bevölkerung der Südostukraine verkündet. Hierbei sollen auch Verbände der Streitkräfte eingesetzt werden. (Zur Erinnerung: Während der gewaltsamen Unruhen im Februar, wo seinerzeit von den Putschisten auch Schußwaffen eingesetzt worden waren, hatte die US-Regierung an Präsident Janukowitsch appelliert, keine Militäreinheiten einzusetzen und überdies die Polizei aus Kiew abzuziehen. Jetzt will Washington anscheinend ein Blutbad anrichten.)

Es ist jedoch zweifelhaft, auf welche Kräfte sich die Junta überhaupt noch stützen kann. Die Armee will wohl großteils nicht kämpfen, die örtliche Polizei steht ihr nicht mehr zur Verfügung und die Söldner, von denen einige hundert im Land sein sollen, reichen für eine derartige Operation nicht aus. Bereits in der zurückliegenden Woche gab es große Ankündigungen, denen jedoch keine Taten folgten. Deshalb gewinnt der neueste Schachzug der USA an Relevanz: Der US-Zerstörer "Donald Cook" ist am Sonntag in den Hafen von Odessa eingelaufen, was wiederum Proteste der Einwohner hervorgerufen hat. Die USA werden sich jetzt möglicherweise direkt an der gewaltsamen Unterdrückung der Proteste gegen den Putsch beteiligen. Zugleich soll Rußland von einem Schutz der bedrohten Menschen abgehalten werden.

Wir könnten in den nächsten Tagen auch den offenen Einsatz polnischen Militärs sehen (verdeckt operieren sie schon lange in der Ukraine). Denn am Sonntag hat der polnische Ministerpräsident Tusk verkündet, er unterstütze den von Turtschinow angekündigten Armee-Einsatz gegen die renitenten Teile der ukrainischen Bevölkerung. Auch Catherine Ashton hat bereits Verständnis für diese Maßnahmen signalisiert. Zur Zeit verstärkt die NATO ihre Kriegsschiffe im Schwarzen Meer.

In der Nacht soll eine Sitzung des UN-Sicherheitsrates stattfinden, doch ist zweifelhaft, daß dort substanzielle Ergebnisse erzielt werden. USA und EU marschieren, wie schon im Februar, wieder im Gleichschritt. Aufgrund der Probleme der ukrainischen Polizei und Armee müssen es jetzt Söldner und eventuell reguläre NATO-Soldaten richten. Die ausländischen Drahtzieher des Putsches vom 22. Februar wollen sich ihre "Investition" nicht vermiesen lassen. Die Ukraine ist ihre Beute und es hat den Anschein, als wollten die Euroatlantiker ihre neue Kolonie mit Klauen und Zähnen verteidigen.

D.h. ferner, daß es jetzt in den westlichen Medien zu einer neuen Propagandaoffensive kommen wird. Die Bürger der Ostukraine sind jetzt nicht nur Separatisten, sondern auch Terroristen und "russische Soldaten". In Kiew war schon wieder von einem Partisanenkrieg gegen die Ostukraine die Rede. Nun denn, wir werden sehen, was die nächsten Tage bringen.


Nachtrag (14. April, 12:55 Uhr)

Heute vormittag ist ein weiteres Ultimatum der Junta verstrichen, ohne daß es in den Regionen Donezk oder Lugansk zu den angekündigten Gewaltmaßnahmen gekommen wäre. Es ist nicht das erste Ultimatum, was folgenlos verstreicht. Dies sagt viel über die Stimmung unter den Putschisten in Kiew. Einerseits schrecken sie, trotz ihrer öffentlich ausgesprochenen Gewaltphantasien, vor massiver Gewaltanwendung zurück - auch, weil ihnen die Kräfte und Mittel dafür fehlen. Andererseits sind sie nicht fähig, in einen echten Dialog mit den Bürgern der Südostukraine einzutreten und vernünftige Verhandlungen zu führen. Kurzum: Die Usurpatoren leben in Agonie. Ihre Scheinwelt, an deren Errichtung die westlichen Sponsoren des Putsches kräftig mitgearbeitet haben, hat keinen Bezug mehr zur Realität. Deshalb können sie die Vorgänge in der wirklichen Welt kaum noch beeinflussen.

Vorhin ist in der Kleinstadt Gorlowka das Polizeirevier von Demonstranten umstellt und dann gestürmt worden. Die Polizei hat sich am Mittag auf die Seite des Volkes gestellt. In der Stadt werden nun auch Barrikaden errichtet. Eine Sensation wurde aus Slawjansk, was seit Samstag komplett unter Kontrolle der Aufständischen steht, gemeldet: Die vor der Stadt zusammengezogenen 25. Luftlandebrigade, ein Eliteverband der ukrainischen Armee, hat Kiew den Gehorsam verweigert und ist auf die Seite der Einwohner und ihrer Selbstschutzkräfte übergegangen. Außerdem konnten die Aufständischen den Flugplatz der Stadt unter Kontrolle bringen. Das dürfte es dann gewesen sein. Selbst wenn die Junta in der Westukraine noch ein paar Polizisten, bewaffnete Nationalisten sowie Söldner zusammenkratzen kann, werden diese Kräfte nicht mehr fähig sein, das Land wieder unter die Knute der Putschisten zu zwingen.

Unterdessen ist es der West- und Zentralukraine ebenfalls zu neuen Zwischenfällen gekommen. In Lwow haben Angehörige von Banden einen Markt gestürmt. Und in Kiew gibt es schon wieder Demonstrationen gegen die Wirtschaftspolitik der Regierung und die damit verbundenen drastischen Kürzungen. Die Slowakei hat sich übrigens am Sonntag aus juristischen Gründen geweigert, die von Kiew gewünschte Rückleitung rußländischen Erdgases durchzuführen. Jetzt wird es wirklich eng für die Putschisten. Daran können auch Besuche des CIA-Chefs und des schwedischen Außenministers nichts ändern.


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