Sonntag, 6. April 2014

Aufstand in Donezk, Lugansk und Charkow (2 UPDATES)

Wieder einmal überschlagen sich in der Ukraine die Ereignisse. Diesmal im Osten des Landes. Seit Februar kommt es dort samstags und sonntags regelmäßig zu Großdemonstrationen gegen die Putschisten in Kiew. Die Bürger fordern - zumeist friedlich, ohne Einsatz von Steinen oder Molotowcocktails (anders als auf dem "Euromaidan") - die Durchführung von Volksabstimmungen über die Zukunft ihrer Gebiete.

Bisher waren diese Aktionen auf die Wochenenden beschränkt, denn von Montag bis Freitag müssen die Menschen arbeiten gehen. (In der Westukraine ist das anders, dort steht aufgrund der höheren Arbeitslosigkeit mehr Personal zur Verfügung, das auch an Werktagen rebellieren kann.) Doch heute hat sich das geändert. Die üblichen Kundgebungen mündeten in die Besetzung von Verwaltungsgebäuden durch die Demonstranten, mit der Folge, daß unter den Usurpatoren in Kiew schon offene Panik ausgebrochen ist. Anscheinend fühlen sie, daß sich ihre Herrschaft dem Ende zuneigen könnte.


Der wichtigste Brennpunkt ist im Augenblick Donezk (siehe obiges Video). Dort wurde, nach einer Kundgebung mit etwa 25-30.000 Teilnehmern, im Laufe des Sonntags die Gebietsverwaltung besetzt. Zur Zeit sollen sich dort etwa 4.000 Bürger aufhalten. Trotz der Verhaftungswelle, die auch an diesem Wochenende wieder über die Region gerollt ist, war es den Menschen möglich, eine gewisse Organsation aufzubauen. Die örtliche Polizei ist dem Vernehmen nach entweder auf die Seite der Demonstranten übergegangen oder hat sich zurückgezogen und für neutral erklärt. Es gibt Berichte darüber, daß das Regime Spezialkräfte des SBU aus Kiew nach Donezk verlegt hat, die am Montag mit einem Sturm beginnen sollen. Offenbar wird die Stadt, auch wegen der symbolischen Bedeutung des Donbass, für besonders wichtig gehalten.

Zweiter Brennpunkt ist Lugansk (siehe das zweite Video). Dort gelang den Bürgern die Eroberung der Dienststelle des Ukrainischen Sicherheitsdienstes (SBU). Außerdem wurden weitere öffentliche Gebäude besetzt. Hier gelang auch die Befreiung einiger zuvor verhafteter Aktivisten aus dem Gefängnis. Auch in Lugansk scheint sich die Polizei mehr oder weniger in Agonie zu befinden. Leider gab es zwei Verletzte (ein Polizist und eine Demonstrantin).


In Charkow gab es tagsüber ebenfalls eine Kundgebung, am Abend wurde dort das Gebäude der Gebietsverwaltung besetzt. Zuvor hatte es einen Zwischenfall mit Kämpfern des Rechten Sektors gegeben. Die Polizisten sollen auch hier zum Teil auf der Seite der Demonstranten stehen. Der Rada-Abgeordnete Ljaschko will am Montag einige tausend Schläger nach Charkow schicken, um die Einwohner endgültig zu unterwerfen.

Auch aus Odessa und Cherson gab es am Sonntag neuerliche Demos.

Es bleibt abzuwarten, wie die nächsten Stunden und Tage verlaufen werden. In den drei Städten werden Barrikaden errichtet. Die Demonstranten machen jedenfalls nicht den Eindruck, als wären sie bereit, schnell nach Hause zu gehen. Dafür waren die Drohungen und Beleidigungen der letzten Tage und Wochen zu stark. Nicht nur die Verhaftungen, auch der Verlust des Arbeitsplatzes wegen Teilnahme an "separatistischen" Kundgebungen oder das erzwungene "Spenden" von Geld für den "Euromaidan" haben die Menschen verbittert. Dieser Tage hat der sog. Präsident Tutschinow im Fernsehen verkündet, daß die russische Sprache keinen staatlichen Status erhalten werde. Außerdem wurde die geforderte Föderalisierung des Landes abgelehnt. Diese Entscheidungen werden Folgen haben.

Am Montag sollen überall neue örtliche Verwaltungsorgane, die von der Junta unabhängig sind, gebildet werden. Doch den Putschisten läuft die Zeit davon; sie wissen, daß sie die Etablierung einer Gegenmacht nicht zulassen dürfen, denn sonst bricht ihre ohnehin dünne Legitimation endgültig zusammen. Daher ist mit dem Einsatz von Gewalt seitens SBU, Nationalgarde und Schlägerbanden zu rechnen. Ferner gibt es Meldungen, wonach der Oligarch Kolomojskij aus Dnepropetrowsk Teile seiner Privatarmee (vulgo: Söldner privater Militärfirmen) in die Ostukraine entsandt hat.

PS: Nachfolgend ein Video vom 4. April, das den deutschen Generalkonsul Detlef Wolter in Lugansk zeigt. Seine Gesprächspartner, die sog. "Vertreter der Zivilgesellschaft", waren ausschließlich Vertreter einer kleinen Minderheit, nämlich Anhänger des Euromaidan, die dem Konsul einreden, die Bürger der Region würden die Junta unterstützen. Das dem nicht so ist, dürfte am Sonntag deutlich geworden sein. Hier sieht man erneut, auf wessen Seite sich deutsche Diplomaten in der Ukraine einmischen:


Nachtrag 2 (7. April, 12:39 Uhr): Zunächst nach Donezk. Dort konnten die Demosntranten in der Nacht das Gebäude des SBU einnehmen. Heute Mittag hat sich ein neues Regionalparlament formiert und den unabhängigen Staat "Volksrepublik Donezk" in den Grenzen des Donezker Gebietes ausgerufen. Ein solcher Staat existierte bereits kurzzeitig im Jahr 1918. Für den 11. Mai ist eine Volksabstimmung über den Status der Region geplant.

Nun ins Baltikum. Heute hat die Regierung Lettlands die Ausstrahlung einiger russischsprachiger Fernsehkanäle verboten bzw. sie mit solch einem Verbot bedroht. Zuvor waren analoge Entscheidungen bereits in Litauen (ebenfalls EU- und NATO-Mitglied) sowie in der Ukraine getroffen worden. Pressefreiheit adé, jetzt kommt die offene Zensur im Namen der "westlichen Werte"!

Abschließend noch einmal nach Kiew. Dort haben Kämpfer des Rechten Sektors das Gebäude des Obersten Gerichts blockiert. Sie fordern eine "Lustration" (= Säuberung) der Justiz von Richtern, die keine Anhänger des "Euromaidan" und der "nationalen Revolution" sind.

Nachtrag 3 (7. April, 19:30 Uhr): Heute Abend soll auch in Charkow eine "Republik Charkow" ausgerufen worden sein. In Nikolajew wird zur Stunde das Gebäude der Regionalverwaltung von Atimaidan-Demonstranten bestürmt. In Lugansk hat sich im besetzten Gebäude des SBU eine "Partisanenabteilung" formiert, die zumindest über Handfeuerwaffen verfügt und gegen die Kiewer Junta kämpfen will, sollte diese nicht endlich auf die Wünsche der Bürger der Südostukraine eingehen (Referendum, Sprache, Blockfreiheit).

In Donezk hat sich die Lage am Abend verschärft. Dort sind aus Kiew einige Dutzend bewaffnete Kämpfer eingeflogen worden, möglicherweise zum Teil Söldner (siehe dazu das folgende Video, Schlagstöcke und Schilde sind nicht zu erkennen). Offenbar wird dort eine gewaltsame Niederschlagung und Unterwerfung der Bürger vorbereitet.
In die Stadt war am Nachmittag auch Julia Timoschenko geflogen, die die Idee einer Volksabstimmung erneut rundweg abgelehnt hat. "Präsident" Turtschinow hat eine "Anti-Terror-Operation" gegen die Demonstranten angekündigt. Den Bürgern werden wegen "Separatismus" Haftstrafen von 5 bis 8 Jahren angedroht. Selbst haben die Putschisten im Januar und Februar drei (!) Amnestiegesetze durchgedrückt, doch nun sind die "Demokraten" gnadenlos.



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